Förderverein zur Erhaltung der Dorfkirche Landin e.V.

Geschichten aus Landin  -  Teil 2  (2018)

Hier werden nach und nach Anekdoten aus dem Dorfleben, Geschichten aus früheren Tagen und Erlebnisberichte von Bewohnern und Freunden von Landin veröffentlicht.

Wenn Sie eine eigene Geschichte beisteuern wollen, melden Sie sich bitte beim Förderverein. Wir freuen uns über neue Beiträge!


 

Babuckes Weihnachtsbaum

Das Haus von Hans-Joachim Babucke in Landin

Der Revierförster von Landin, Hans-Joachim Babucke, wohnte am Ende des Dorfes, aber nicht weit von der Kirche in der Bergstraße 4, in einem kleinen Haus. Er hatte seine Frau Ingelore bei der Ausbildung zum Förster kennengelernt und während er nach der Ausbildung seine Arbeit in Landin aufnahm, leitete seine Frau den kleinen Dorfladen. Die Dorfläden gehörten der Konsum-Genossenschaft in der DDR und deshalb nannte man ihn kurz und bündig den „Konsum.“ Er war als Revierförster von 1965 – 2005 in Landin tätig und wohnt heute noch immer in dem kleinen Häuschen mit Garten und Bäumen in Landin. Bis weit in den Herbst geht er im Lochower See zum Schwimmen und hält sich so fit.

Zu seinen Aufgaben als Förster gehörte die Pflege des Waldes. Das Abholzen und das Neuaufforsten der gerodeten Flächen mussten überwacht werden. Die Beobachtung der Baumschädlinge und die Einleitung von Bekämpfungsmaßnahmen gehörte auch zu seinen Aufgaben. Natürlich fütterte er in harten Wintern auch die Rehe und Hirsche, die es in der Region gab. So war in den ersten Jahren der DDR auch den Kindern auferlegt, Kastanien und Eicheln zu sammeln, damit man etwas Kraftfutter für die Waldtiere im Winter hatte und ein paar Pfennige für das Taschengeld dazubekam. Aber das war nur ganz selten der Fall, denn bei normalem Winterwetter in Brandenburg fand das Wild ausreichend Futter. Sein Beruf als Förster machte ihm Spaß. Er kam auch mit seinen Kollegen gut zurecht.

Er achtete auf die Wildschweine und die Füchse in seinem Bereich, aber Wild gehörte eigentlich nicht zu den Aufgaben der Förster. Das Wild und die Bejagung kontrollierten in der DDR die Jagdgesellschaften. Hans-Joachim Babucke war Mitglied in einem Jagdkollektiv. Der Jagdleiter von Landin, Willi Gnad, hatte die Waffen unter Verschluss und verteilte sie an die Mitglieder des Jagdkollektivs bevor es zur Jagd ging. Für die Jagdleiter war jeglicher Kontakt mit Leuten aus Westdeutschland verboten. Als Willi Gnad Besuch von seinen Verwandten aus der Bundesrepublik erhielt, wurde ihm die Leitung des Jagdkollektivs entzogen und an Hans-Joachim Babucke übertragen. Für Hans-Joachim Babucke änderte sich kaum etwas. Vorher hatte er seine Waffe von Willi Gnad bekommen und jetzt gab er an Willi Gnad die Waffe heraus. Und Jagen war ja den Jagdgesellschaften vorbehalten. Privatjäger waren in der DDR kaum bekannt. Die Jagdgesellschaften hielten das Schwarzwild kurz. bekamen auch manchmal einen kapitalen Hirsch zum Abschuss frei. Nach der Einheit Deutschlands (1990) gehörte dann auch die Jagd zu seinen Aufgaben.

Oben von links: Revierförster Jens Deparade (Ferchesar), Revierförster Michael Austen, (Kleßen)
Mitte von links: Revierförster Rolf Deparade, (Haage), Revierförster Hans-Joachim Babucke, (Landin), Revierförster Langheinrich (Zootzen)
Unten von links: Revierförster Lothar Mrotzeck (Ferchesar), Oberförster Hans Behrend (Rathenow), Revierförster Walter Schubert, (Zootzen)

Geweih eines Rothirsches, Ungrader Vierzehnender

Im Advent warf Hans-Joachim Babucke zwei Fichten über den Torweg der Gaststätte Muchow in Landin, den einen für die Gastwirtschaft und den anderen zur privaten Nutzung. Er selbst hatte für sich einen wunderbaren Baum ausgesucht, eine Fichte, die seine Frau besonders liebte. Schon der Geruch von Tannengrün versetzte sie in vorweihnachtliche Stimmung. Oft ging er in die Schonung, wo die Fichte stand und besuchte seinen Baum, den er auch mit einem roten Band kennzeichnete, damit jeder sehen konnte, dieser Baum war für den Förster bestimmt. An heißen Sommertagen brachte er dem Bäumchen auch eine Kanne Wasser mit und tränkte es tüchtig. Er hatte seine Freude an der gut gewachsenen Fichte und konnte keine Fehler an ihr finden. Vorfreude ist ja die schönste Freude und so war Hans-Joachim Babucke fröhlich, wenn er in die Nähe dieses Wäldchens kam.

Anfang Dezember holte er schon die Weihnachtssachen vom Boden und schaute nach, ob alles in Ordnung war. Es gab auch eine Weihnachtskrippe bei Babuckes mit geschnitzten Holzfiguren und fast jedes Jahr musste etwas repariert werde. Mal war das Dach vom Stall in Bethlehem defekt, mal fehlte einer Krippenfigur ein Arm, den er wieder anklebte. Am 23.12. ging er dann mit Säge und Axt in den Wald, um seine Lieblingsfichte zu fällen. Dann wurde der Baum in den Ständer gestellt und bis zum Heiligen Abend noch auf dem Hof stehengelassen. Während seine Frau am Heiligabend in der Küche stand und alles für das Weihnachtsfest vorbereitete, hatte er die Aufgabe den Weihnachtsbaum zu schmücken. Dann wurden die alten silbernen Kugeln angehängt und eine silberne Spitze aufgesetzt und die Lichterkette um den Baum gelegt. Er hatte auch eine Silbergirlande, die er kunstvoll um den Baum wickelte. Zum Schluss kam das Lametta und dann stand der Baum in aller Pracht und Herrlichkeit bis zum Heiligen Dreikönigstag am 05.01. des neuen Jahres im Wohnzimmer und erfreute die Familie. 1973 war das wie in jedem Jahr. Er hatte seine auserwählte Fichte mit einem roten Band gekennzeichnet und besuchte sie das ganze Jahr so oft es ging. Als er am 23.12. das Bäumchen holen wollten, war ihm ein Dieb zuvorgekommen und hatte seinen Lieblingsbaum schon abgesägt. Er war wütend und musste nun einen anderen Baum suchen und mit nach Hause nehmen. Er schaute nach Weihnachten in alle Stuben der Landiner, ob er seinen Baum irgendwo finden würde, aber es hatte wohl ein Rathenower seinen Baum entwendet. Er war im Advent schon viel im Wald gewesen, aber die Weihnachtsbaumdiebe waren schlau und hatten ihm ein Schnäppchen geschlagen.

Fichtenschonung

Der Ersatzweihnachtsbaum

Das ganze Fest war dadurch für ihn verdorben, aber seine Frau tröstete ihn und sagte, sie finde diesen Ersatzbaum dieses Jahr besonders schön. So beruhigte er sich allmählich wieder und es wurde dann doch noch ein schönes Fest. Am Heiligabend gab es Kartoffelsalat mit Würstchen und zum Weihnachtstag eine Wildgans mit Rotkohl und Kartoffeln und als Nachtisch Birnenkompott. Seine Frau hatte auch einen Apfelkuchen gebacken und Kekse, sodass dann alles doch in weihnachtlichem Frieden harmonisch endete.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.12.2018


 

Das Wehklagen im Schloss von Landin

Landiner Schloss

Es wird berichtet, dass im Schloss in Landin in einer Ecke ein großer Findling vermauert wurde. Er war auf den Feldern in der Umgebung gefunden worden und mit einem Fuhrwerk beim Schlossbau nach Landin gekommen und wurde als Eckstein vermauert. Viele kleinere Findlinge und Feldsteine bildeten das Fundament der Schlossmauern, was einen guten Schutz gegen die aufsteigende Nässe aus der Erde war. So lebten denn die von Bredows in gutem Frieden mit allen Bauern und Lohnarbeitern in dem kleinen Landin. Das Leben wurde von den Jahreszeiten und den kirchlichen Festen diktiert. Saat und Ernte, Frost und Hitze wechselten sich ab und ließen die Jahre dahinfließen.
Einmal verliebte sich ein junges adliges Fräulein in einen armen Kuhhirten. Es war eine heimliche Liebe, denn die Eltern hatten schon einen anderen standesgemäßen Bräutigam für sie ausgesucht. Aber das junge Fräulein Eleonore weinte viele Tränen über diesen Plan und konnte von ihrem geliebten Franz nicht loskommen. Als sie merkte, dass sie von Franz schwanger geworden war, wusste sie sich nicht anders zu helfen, als das Neugeborene im Keller unter dem großen Findling zu begraben. Sie musste dann wirklich einen adligen Cousin aus Görne heiraten und bekam noch viele Kinder. Die Trauer um ihren Geliebten und um das unschuldige Erstgeborene blieb aber ihr ganzes Leben lang erhalten. Sie vergoss viele Träne über ihr grausames Schicksal und beweinte oft ihr totes Kind unter dem Stein. Als Eleonore gestorben war, vernahmen die Menschen im Schloss ein leises Wimmern und konnten die Ursache nicht finden. Auch in den Häusern um das Schloss war dieses Wehklagen zu hören. Man forschte nach der Ursache, aber es ließ sich nichts Ungewöhnliches im Schloss entdecken. Das Wimmern und Wehklagen ließ nach einer gewissen Zeit wieder nach. Aber jedes Mal, wenn ein Mensch im Schloss im Sterben lag, ertönte das Wimmern und Wehklagen erneut. Es kam, so hatten die Bewohner herausgefunden, von dem großen Findling in der Ecke. So ging es viele Jahre bis 1945 das Schloss zerstört wurde. Seither hat niemand mehr davon gehört.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.11.2018


 

Eine Silberhochzeit in Landin

Silberhochzeitgesellschaft  Anna und Arnold Brunow am 03.10.1924 in Landin

Arnold Emil Gustav Brunow und seine Frau Anna Pauline Luise Muchow hatten sich am 03.10.1899 in der Dorfkirche Landin das Jawort gegeben. Anna Brunow war die Tochter des Gastwirtes Ferdinand Muchow in Landin. Natürlich hatte sich der Vater von Anna Brunow, es sich nicht nehmen lassen, die Hochzeit seiner Tochter in seinem Restaurant zur Erholung in Landin auszurichten. 25 Jahre später feierte das Paar am 03.10.1924 seine Silberne Hochzeit in Landin. Anna Brunow war mit ihrem Mann nach der Hochzeit 1899 nach Berlin gezogen, wo Arnold Brunow als Straßenbahnführer arbeitete. Sie hatten eine Wohnung in der Holzmarktstraße 10 und wohnten in der Nähe vom Alexanderplatz, was für die Familie ziemlich bequem war.
Die Silberhochzeit wurde natürlich wieder in Landin gefeiert. Die Geschwister von Anna Brunow waren bei der Feier dabei. Ihr Bruder Max Muchow mit seiner Frau Hedwig und ihre Schwester Betty Ebel, geborene Muchow, mit ihrem Mann Max. Der Pfarrer hatte die Segnung des Jubelpaares im Hause vorgenommen und hatte eine kleine Andacht mit der Hochzeitsgesellschaft gefeiert. Der Silberbräutigam hatte auch ein schönes Gedicht für seine Frau geschrieben:

Der Bäutigam an seine Braut

Zwei Bächlein von den Bergen fließen,
geht jedes seine eigne Bahn,
bis Schöpfermächte es beschließen, dass sie gemeinsam sich ergießen,
ziehn Hand in Hand zum Ozean.

Als ich in Deiner Jugend Prangen,
mein Schatz, Dich sah so hold und fein,
trieb mich ein still und stark Verlangen,
bin diesem Ziel nur nachgegangen,
dass Du für immer wärest mein.

Dem Mann halfst Du das Glück dann schmieden,
des Hauses Zierde warst Du mir.
Du bist die Ruh, Du bist der Frieden,
Du bist vom Himmel mir beschieden;
mein Silberschatz, wie dank ich Dir.

Mit jedem der fünfundzwanzig Jahre
hat ich Dich immer lieber noch.
Legt man mich einst auf eine Bahre,
ich bin gewiss, dass ich erfahre
eine Wiedersehen droben doch.

Komm Tod, wir warten Dein mit Frieden,
schließ ab den flücht´gen Lebenslauf;
schließ auf, was droben uns beschieden,
wozu wir reiften nur hinieden.
Die Liebe höret nimmer auf.

Zum Mittagessen wurde ein Silberhochzeitsgeschirr verwendet. Dieses Geschirr wurde extra zur Silberhochzeit hergestellt und das erste Mal benutzt. Das Menu war dem Festtag angemessen. Nach der kirchlichen Zeremonie wurde die Suppe kredenzt, die aus einer herzhafte Rindfleischbrühe mit Möhren und Zwiebeln bestand. Als nächster Gang wurde ein Eiersalat in einer Pastetenteigummantelung serviert. Und dann folgte ein Entenbraten mit Rotkohl und Kartoffelklößen. Als Nachtisch gab es Mirabellenkompott mit Sahne. Dazu wurde Moselwein getrunken oder Bier.

Der Familie war ja nicht arm. So eine kleine Gastwirtschaft und ein bisschen Land und Wiesen dazu, wo die Landwirtschaft gedieh, brachte doch mehr ein, als man zum Leben brauchte. Es gab ja auch im ganzen Dorf keine Konkurrenz und so gehörte Gaststättenbetreiber doch zur Oberschicht im Dorf, nur übertrumpft von ein paar Bauern im Ort. Nach dem Mittagessen wurden alle eingeladen den Garten zu besehen und in den Ställen das Vieh zu begutachten. Es standen zwei Pferde, sieben Kühe und drei Schweine im Stall vom Federvieh gar nicht zu reden. Dann fanden sich alle wieder zur Kaffeetafel ein. Die Hausfrauen hatten drei Kuchen gebacken, Bienenstich, Streusselkuchen und Apfeltorte. Die Apfeltorte war zuerst alle, denn sie wurde wegen des säuerlichen Geschmacks besonders geschätzt. Das Silberhochzeitsgeschirr war extra zur Silberhochzeit aus feinem Porzellan hergestellt worden.

Anna und Arnold Brunow als Silberhochzeitspaar

Auf der Kaffeekanne stand „Zur Silberhochzeit“ und auf der Kuchenplatte auch. Jeder Kuchenteller war mit dem gleichen Spruch verziert:

Es mög wie Silber
hell und rein
Der Abend Eures
Lebens sein.

Zum Abendessen hatte die Hausfrau einen großen Topf Gulaschsuppe gekocht. Dazu gab es Butter und Brot und eine Käseplatte. Es war ja Herbst und die Weintrauben, Äpfel und Birnen waren reif und wurden den Gästen auf großen Obstschalen angeboten. Die „Gute Luise“ wuchs im Muchowschen Garten und war immer im Oktober reif, was natürlich für die kleine Feier gerade recht kam. Ein großer Korb mit den Birnen stand neben dem Esstisch auf einem Stuhl und die Gäste bedienten sich reichlich davon, auch wenn sie am nächsten Tag, manche auch schon nach Stunden, die durchschlagende Wirkung bemerkten.
Das Silberpaar hatte auch Musikanten bestellt und so wurde auch getanzt und die Gäste staunten nicht schlecht, wie der Silberbräutigam mit der Silberbraut Polka tanzte. Es wurde viel erzählt von alten Zeiten und vom Kaiser, den es nicht mehr gab, von den Nachbarn und den Schicksalen, die ein jeder so erleben musste. Es gab auch Gäste dabei, die ununterbrochen Witze erzählten, so dass die Gesellschaft aus dem Lachen gar nicht mehr herauskam. Gegen dreiundzwanzig Uhr neigte sich die Silberhochzeit aber dann doch dem Ende zu. Man verabschiedete die Nachbarn, räumte noch etwas auf und um Mitternacht lag das ganze Haus und seine Gäste schon in tiefem Schlaf.

 
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.10.2018


 

Drei Freundinnen auf der Wartburg

Charlotte Jungnickel, Hertha Brunow und Margarethe Brunow beim Tanzstundenabschlussball in Berlin

Margarethe Brunow, Charlotte Jungnickel und Hertha Brunow sind in Berlin eingeschult worden und blieben zeitlebens Freundinnen. Wenn Ferien waren, kamen die drei Freundinnen oft zum Großvater von Hertha nach Landin und verlebten da ihre Ferien. Die Schulbank drückten sie aber gemeinsam in Berlin und wurden auch dort vom gleichen Pfarrer in der gleichen Kirche konfirmiert. Das Leben führte sie dann doch ganz verschiedene Wege. Charlotte Jungnickel arbeitete in Berlin in einer Glaserei und war für die Buchführung verantwortlich. Sie hat nie geheiratet und lebte mit ihrer Mutter zusammen, die sie bis zum Tode pflegte. Margarethe Brunow heiratete einen Offizier, der im Zweiten Weltkrieg nicht mehr aus Afrika zurückkam. Hertha Brunow hat ihr Leben in Landin aufgebaut. Ihr Freund blieb ebenfalls im Krieg und so lebten die drei Frauen ungebunden, was sie aber nicht hinderte, sich regelmäßig zu treffen, meistens in Landin.

Die schönsten Erinnerungen hatten die drei Freundinnen an Landin, wo sie jung und unbeschwert auf dem Hof des Gastwirtes Ferdinand Muchow Ferien machten. Wenn man jung ist, ist ja alles zum Lachen. Man fühlt sich wohl und es ist ganz und gar egal, was der Nachbar erzählt, das Lachen lässt sich nicht unterdrücken. Natürlich mussten sie auch alle drei bei der Ernte helfen, aber das störte die Fröhlichkeit in keiner Weise. Hertha Brunow war von den drei Freundinnen die Unternehmungslustigste und hatte immer neue Ideen für Ausflüge und Fahrten ins Blaue. Sie war die Einzige, die durch ihre Familie etwas Vermögen hatte und so bekam sie auch in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts einen Mercedes, den sie mit ihrem Fahrschullehrer persönlich aus Untertürkheim abholte.

Glückliche Jahre in Landin

Das neue Auto in der Garage in Landin

Der Mercedes mit der Nummer IE-II3I42 fuhr nun über die Straßen des Havellandes. Hertha schlug ihren Freundinnen vor, sie auf eine Reise zur Wartburg zu begleiten und im September 1937 trafen sich alle in Landin mit gepackten Koffern und dann brauste Hertha mit ihren Freundinnen los. Charlotte hatte den Conti- Atlas auf den Knien und dirigierte Hertha erst einmal nach Magdeburg, wo der Dom besichtigt wurde, ehe man ins Domhotel eincheckte. Die nächste Tour ging bis nach Eisleben und dann nach Weimar, wo die Wohnhäuser von Goethe und Schiller besucht wurden.

Die Wartburg bei Eisenach

Ludwig auf der Jagd – Warte Berg, du sollst mir eine Burg werden

Dann erreichten die drei jungen Damen Eisenach und fuhren bis zur Wartburg. Nach der Sage soll Graf Ludwig der Springer († 1123) von der Schauenburg bei Friedrichroda bei einer Jagd den Berg entdeckt und sich in ihn verliebt haben. Die Gegend gehört dem Grafen von Frankenstein. Der Graf Ludwig soll beim Anblick des Berges gerufen haben: „Warte Berg, du sollst mir eine Burg werden.“

Er ließ von seinen Untertanen Körbe mit Erde von der Schauenburg auf die Wartburg bringen und dort ausschütten. Als die Frankensteiner das Land für sich reklamierte, schwor Graf Ludwig der Springer vor dem König, dass die Erde ihm gehöre, auf dem er die Wartburg errichten wollte. 12 Mitstreiter des Grafen stießen dazu ihre Schwerter in den Boden und beschworen, dass das Land dem Grafen Ludwig gehörte, was ja durch den Trick nicht ganz falsch war, aber eben doch nur eine List war. 1131 wurde der Sohn Ludwig des Springers, Ludwig I., vom Kaiser Lothar III. zum Landgrafen ernannt. Landgraf Ludwig II. (Regierung von 1140-1172) war der bedeutendste Bauherr für die Wartburg. Im Palas der Wartburg befindet sich ein großes Wandgemälde von Moritz von Schwind, das den „Sängerkrieg“ auf der Wartburg darstellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die beiden Minneliederdichter Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach. Wolfram von Eschenbach war 1203 am Thüringer Hof. Er ist bekannt als Dichter des „Parzival.“ Dieses mittelalterliche Epos diente Richard Wagner als Vorlage für seine Oper „Parzival.“ Auf der Wartburg wurde ein künstlerischer Wettstreit darum ausgetragen, wer in seinen Dichtungen am besten den Fürsten und die Fürstin loben könne. Walther von der Vogelweide hat dabei ein sehr berühmtes langes Gedicht (Reichsklage) geschrieben, dass so begann:

Ich saz uf eime steine
Und dahte bein mit beine,
dar uf satzt ich den ellenbogen
ich hete in mine hant gesmogen
daz kinne und ein min wange
do dahte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben
deheinen rat kond ich gegeben.

Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine,
darauf der Ellenbogen stand,
es schmiegte sich in meine Hand
das Kinn und eine Wange.
Da dacht ich sorglich lange,
dem Wettlauf nach und irdischem Heil
doch wurde mir kein Rat zuteil.

Der Volksmund machte daraus:
„Ich saß auf einem Steine und dachte so an Dich, da sah ich eine Rose und ein Vergissmeinnicht.“ Der Wettstreit ging für den Verlierer tödlich aus. Da keine eindeutige Entscheidung getroffen werden konnte, wurde der Magier Klingsor aus Ungarn gerufen, der auf eine Wolke zur Wartburg kam.

Sängerkrieg auf der Wartburg

Im Festsaal der Wartburg wurden immer große Konzerte veranstaltet und der König Ludwig von Bayern war so von ihm angetan, dass er ihn im Schloss Neuschwanstein als Kopie errichten ließ.

Eine andere Legende berichtet, dass Elisabeth von Thüringen, die Tochter des Königs Andreas II. von Ungarn war und mit dem Landgrafen Ludwig 1211 vermählt wurde. Sie war vier Jahre und Ludwig elf Jahre alt. Elisabeth schenkte ihrem Mann drei Kinder und war sehr mildtätig. Ludwig hatte von seinem verschwenderisch lebenden Vater Hermann 1217 ein bettelarmes Land übernommen.

Während Elisabeth milde Gaben verteilte, musste er knausern und sparen. Als sie eines Abends wieder mit einem Korb voll Brot zu den Armen gehen wollte, sprach er sie an und fragte sie:“ Was hast Du unter dem Tuch in Deinem Korb?“ Sie antwortete: „Rosen“ und als ihr Mann das Tuch zurückschlug, waren in der Tat nur Rosen in dem Korb. Dieses so genannte „Rosenwunder“ ist viel beschrieben und bedichtet worden.

Festsaal auf der Wartburg

Elisabethkemenate

Die bekannteste Persönlichkeit auf der Wartburg, die auch die größte Ausstrahlung auf die ganze Welt hatte, war aber Martin Luther. Der Kurfürst von Sachsen Friedrich der Weise hielt Martin Luther, verkleidet als „Junker Jörg“ auf der Wartburg versteckt, nachdem der Papst ihn mit dem Bann und der Kaiser mit der Reichsacht belegt hatten, was einem Todesurteil gleichkam. Er musste sich auch einen Bart wachsen lassen. Eine Besichtigung der Wartburg mit der Lutherstube, wo Martin Luther als „Junker Jörg“ das Neue Testament der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt hatte und damit die deutsche einheitliche Sprache begründet hat, war selbstverständlich Bestandteil der Reise. Durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern des Johannes Gutenberg im Jahr 1450 verbreitete sich die deutschsprachige Bibel in Windeseile über den ganzen deutschsprachigen Raum. Bei der Übersetzung soll Luther auch den Teufel gesehen haben. Er warf in seiner Stube ein Tintenfass nach ihm, wovon noch ein schwarzer Fleck an der Wand zu sehen war. Den hat man im Laufe der Zeit weggeputzt. Das alles stand natürlich auch auf dem Programm der drei Damen. Wenn man jung ist, findet man ja alles komisch und die drei Reiselustigen fanden später, dass sie noch nie so viel gelacht hatten, wie auf dieser Reise.

Das Rosenwunder

Luthers Schreibtisch auf der Wartburg

Im Wartburgrestaurant wurde Mittag gegessen und 20 Ansichtskarten an alle Bekannten in ganz Deutschland geschickt. Alle drei schrieben wie die Weltmeister. Dann ging es nach Eisenach ins Hotel und man schlief herrlich bis zum nächsten Morgen. Dann ging es wieder zurück nach Landin, wo ja der Ausgangspunkt für diese Autofahrt war. Die drei Freundinnen verlebte beim Großvater von Hertha Brunow noch den Rest des Urlaubs und natürlich wurde allen von dieser Reise erzählt. Es war schon ein Erlebnis gewesen, was einen tiefen Eindruck bei den drei jungen Frauen hinterlassen hatte.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.09.2018


 

Die Jubiläumsfeier eines Straßenbahnführers

Arnold Brunow

Deutsches Kaiserhaus

Arnold Emil Gustav Brunow war Straßenbahnführer in Berlin und arbeitete gern in der kaiserlichen Residenz Deutschlands. Seine Frau, Anna Pauline Luise Brunow, war die Tochter des Gastwirtes Ferdinand Muchow in Landin. Die kleine Familie wohnte in der Holzmarktstraße 10 in der Nähe des Alexanderplatzes in Berlin. Die Straßenbahnen waren das wichtigste Verkehrsmittel in Berlin. Arnold Brunow kannte noch die Pferdebahn, die vom Brandenburger Tor nach Charlottenburg fuhr. Die Berliner, spottlustig wie immer, sangen dazu. „Jetzt fahr´n wa so jemütlich uff de Ferdebahn. Det eene Ferd det zieht nich, det andere det is lahm. Der Kutscher is besoffen, die Ferde woll´n nich jehn. Alle fünf Minuten bleibt die Kutsche stehn.“ 1881 wurde dann die erste elektrische Straßenbahn in Berlin eröffnet und das elektrische Netz kontinuierlich ausgebaut. Die Berliner nannten die Straßenbahn kurz „Die Elektrische.“ Arnold Brunow fuhr kreuz und quer durch Berlin und kutschierte seine Fahrgäste zu allen Zielen, die die Straßenbahn ansteuerte. Besonders stolz war er darauf, dass auch die Kaiserliche Familie einmal eine Jubiläumsfahrt mit seiner Straßenbahn machte.

Arnold Brunow war ein sehr zuverlässiger Straßenbahnführer und am 15.7.1905 hatte ihm sein Betrieb eine vergoldete Uhr geschenkt, auf deren Rückseite folgende Worte eingraviert waren: Anerkennung mehrjähriger Dienstzeit für den Fahrer Arnold Brunow Berlin 15.7.1905 Grosse Berliner Strassenbahn. Er war natürlich stolz auf diese Auszeichnung und fuhr nun noch pünktlicher ab, denn die Uhr ging sehr genau. Er hatte sie auch immer bei sich und legte sie nur ab, wenn er in sein Nachtgewand schlüpfte.

Vergoldete Taschenuhr

Das Präsent des Straßenbahnunternehmens

Prinz Eitel Friedrich von Preussen mit seiner Braut

Für die Ausgezeichneten gab es einen Empfang durch den Betrieb mit einem Festdiner. Die Ehefrauen waren auch dazu eingeladen worden. Man hatte sich prächtig herausgeputzt zu diesem Empfang und allen Schmuck angelegt, den man besaß. Die Feier war auch deswegen in bleibender Erinnerung bei der Familie, weil die Auszeichnung Seine Königliche Hoheit Prinz Eitel Friedrich von Preussen und seine Braut Sophie Charlotte von Oldenburg vornahmen, deren Heirat 1906 anstand. Der Prinz überreicht persönlich die Taschenuhr an Arnold Brunow.

Berlin hatte damals schon den Glanz einer Metropole, denn das Kaiserhaus brachte Paraden und Glamour in die Stadt. Auch gab es alle Nase lang fürstlichen Besuch aus ganz Deutschland und den Monarchien Europas. Als seine kleine Tochter Hertha geboren wurde, versäumte die Familie keine Parade des Kaisers und Hertha wurde hochgehoben, damit sie den Kaiser gut sehen konnte. Das hinderte den Straßenbahnführer und seine Frau aber nicht daran, so oft es ging, nach Landin zu kommen. Es war doch die Heimat geblieben. Wo die Schwiegereltern und die Geschwister seiner Frau wohnten, war eben auch der Mittelpunkt der kleinen Familie. Neben der Auszeichnung durch den Berliner Straßenbahnbetrieb gab es eine kleine Nachfeier im Familienkreis in Landin, wo die einjährige Tochter Hertha zur Freude des Großvaters Ferdinand auch dabei war.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.08.2018


 

Eine Taufe in Landin

Die Tochter des Straßenbahnführers Arnold Emil Gustav Brunow und seiner Frau Anna Pauline Luise Brunow, geborene Muchow, Hertha Victoria Elisabeth Brunow wurde am 03.01.1904 in Berlin geboren. Der Großvater Ferdinand Muchow aus Landin war sehr erfreut über seine erste Enkeltochter und vereinbarte mit den Eltern, dass das Kind in Landin getauft werden sollte. So kam es, dass der Pfarrer Jacobi am 17.07.1904 das Sakrament der heiligen Taufe in der Landiner Dorfkirche dem kleinen Mädchen spendete. Als Paten oder Taufzeugen waren Hermann Lübge, Paul Brunow, Elisabeth Brunow und Betty Muchow dabei. Die kleine Hertha ließ die Wassertaufe ohne erkennbare Zeichen der Anteilnahme über sich ergehen. Sie schlief die ganze Zeit auf dem Arm ihrer Mutter. Es war ein herrlicher Sommertag an diesem Sonntag und der Sommerwind wehte dazu kräftig, sodass alle Damen ihre Hüte festhalten mussten, als es von der Kirche in die Gaststätte Ferdinand Muchow zum Feiern ging. Betty Muchow war schon vorgelaufen mit dem Kinderwagen, denn es hieß, je schneller der Täufling zu Haus ist, desto fixer würde ihm später alles von der Hand gehen. Sie hatte auch zwei Stecknadeln in den Kinderwagen gesteckt. Das sollte schützen vor bösen Blicken. Hertha ließ sich aber durch nichts aus der Ruhe bringen. Sie trank die Brüste ihrer Mutter nach der Taufe fast leer und schlief dann weiter, ohne die Taufgesellschaft im Geringsten zu beachten. Die Männer hatten sich vor der Gaststätte niedergelassen und tranken erst einmal ein Glas Bier, denn es war sehr warm an diesem Tag. In der Gaststube wurde das Mittag vorbereitet. Der stolze Vater hielt vor dem Mittagessen eine kleine Rede und bedankte sich für die vielen Geschenke. Es waren selbst gestrickte und genähte Kleider für das Baby und viele Sachen zum Anziehen und auch etwas Geld dabei. Dann sprach der Pfarrer Jacobi ein sehr langes Tischgebet, ehe er mit seiner Frau Christlinde die Suppe löffelte:

Speis` uns Vater deine Kinder!
Tröste die betrübten Sünder!
Sprich den Segen zu den Gaben,
die wir hier so vor uns haben,
dass sie uns in unserm Leben
Stärke, Kraft und Nahrung geben,
bis wir endlich mit den Frommen
zu der Himmelsmahlzeit kommen.
Komm Herr Jesu, sei unser Gast
und segne, was du uns in Gnaden bescheret hast.

Der Vater hatte eine Kiste französischen Champagner mitgebracht und trank auch ein Glas nach dem anderen, sodass er am Ende der Feier ins Bett getragen werden musste. Zum Mittag gab es eine Spinatsuppe mit ein paar Stücken Ananas und einen Tupfer saure Sahne. Danach hatten die Frauen eine Fischpastete bereitet. Der Hauptgang bestand aus Rehbraten in Rotweinsoße mit einem kleinen Löffel schwarzen Johannisbeermarmelade und Kartoffeln. Dazu gab es in Butter geschwenkte Möhrenscheiben und Rotkohl. Als Nachtisch hatten die Frauen Apfelkompott und einen Mokka vorbereitet. Der Pfarrer und seine Frau Christlinde bedankten sich für das Mittagessen und verabschiedeten sich bald. Sie hatten natürlich auch tüchtig vom Champagner probiert, den es ja nicht alle Tage gab. Nach dem Mittag fuhr Betty Muchow ihre Nichte stolz mit dem Kinderwagen durch das Dorf, bis das Kind ausgeschlafen hatte und wieder gestillt werden musste. Am Nachmittag gab es einen riesigen Napfkuchen und zum Abendessen Brote mit Schlackwurst, Leberwurst und Schinken sowie sauren Gurken. Die meisten Gäste tranken Bier, aber viele wollten auch den Champagner probieren. Die kleine Taufgesellschaft wurde immer ausgelassener, bis die Kindsmutter doch die Feier mit dem Hinweis auf die Ruhe für das Kind langsam auflöste. Aber alle sprachen noch wochenlang von der schönen Feier bei der Taufe der kleinen Hertha. Der Champagner hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.07.2018


 

Im Heu

Hedwig und Max Muchow fahren vom Hof (1937)

Wenn im Juni das Heuen begann, war im Dorf alles auf den Beinen. Das schöne Wetter musste ausgenutzt werden und alle jungen und alten Männer mähten mit den Sensen auf den Wiesen das frische Gras. Ist der Mai kühl und nass, füllt dem Bauern Scheun´ und Fass, heißt eine alte Bauerregel und dieser Mai in Landin war nass und regnerisch gewesen. Dazu war er angenehm warm, „Wasswäder“, sagte die alte Elise Mewes, denn bei diesem Wetter wuchs und sprosste es, dass man zusehen konnte. Natürlich auch das Unkraut, aber Alice von Bredow tröstete die Leute und meinte: „Wo Unkraut wächst, wächst auch was anderes.“ Und so war es ja auch wirklich. Die Kartoffeln und Rüben gediehen natürlich ebenso gut in solchen nassen und warmen Maitagen. Aber kaum war es Juni im Jahr 1937 geworden, brach eine Hitzewelle aus, die seinesgleichen suchte. Die Menschen und das Vieh stöhnten unter der Wärme. Schwad für Schwad wurde das Gras von den Männern gemäht und lag am Ende des Monats in langen Reihen auf den Wiesen. Die Männer mähten am liebsten am frühen Morgen, wenn es noch nicht so warm war und der Tau noch auf den Wiesen lag. Alle paar Meter wurde Halt gemacht und die gedengelten Sensen mit einem Wetzstein geschärft. Sie hatten alle eine Mütze oder einen Filzhut auf, damit der Schweiß nicht in die Augen lief und Gespräche waren nur in den Pausen möglich. Wenn das Gras gemäht war, kam die Arbeit der Frauen, bei denen ihnen aber auch alle Männer halfen. Das Gras musste alle paar Tage gewendet werden, bis es die Sonne in duftendes Heu verwandelt hatte. Hauptgespräch in der Heumahd war das Wetter. Ob es denn hielt und kein Regen kam? Die Frauen und Männer arbeiteten beim Heuwenden immer zusammen und konnten so viel erzählen. Meist zog sich das Wenden bis in den August hinein hin. Die Frauen hatten weiße kunstvoll gefaltete Hüte auf dem Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen, denn es war für alle eine schweißtreibende Arbeit. Manche hatte auch in der Schule Gedichte gelernt und probierten aus, ob noch alle Verse im Kopf waren.

Im Heu
von Johannes Trojan

(*14.08.1837 in Danzig – † 21.11.1915 in Rostock)

O wie schön ist es im Heu!
Lieblich ist der Duft,
und die Lerche singt dabei
hoch aus blauer Luft.

Und das Grillchen hört man auch,
das die Zither schlägt
unterm wilden Rosenstrauch,
den der Wind bewegt.

Warme Luft und Sonnenschein,
o wie ich mich freu!
Sagt, wo kann es schöner sein,
schöner als im Heu?

Max stakt das Heu auf den Leiterwagen, wo seine Frau Hedwig es genau einpackt

Wenn das Heu dann wirklich fertig war, mussten alle Mitglieder der Familie mithelfen, es in die Scheunen zu bringen. Es war ein trockener schöner Tag, da fuhr Max Muchow mit seiner Frau Hedwig mit dem Leiterwagen vom Hof. Auf der Wiese gab er seiner Frau auf dem Wagen große Forken voll Heu, die sie kunstvoll auf dem Wagen packte. Es durfte ja unterwegs nichts verloren gehen.

Die Wiesen waren auf der anderen Straßenseite und die voll bepackte Heufuhre musste durch Sandwege mit engem Baumbestand durchmanöveriert werden. Hedwig Muchow verstand die Kunst des Heustapelns am besten und blieb meistens auf der Fuhre oben sitzen, während ihr Mann Max unten auf dem Leiterwagen saß und die Pferde nach Haus führte. Einmal war die Heufuhre so hoch bepackt worden, dass ein starker Ast einer alten Eiche Hedwig Muchow einfach vom Wagen fegte. Sie war so erschrocken, dass sie keinen Ton herausbrachte, sich aber krampfhaft an dem dicken Ast festhielt, während der Wagen weiterfuhr. Max hatte nichts davon bemerkt und fuhr seelenruhig nach Hause. Erst da fiel ihm auf, dass seine Frau nicht antwortete. Er holte eine Holzleiter und kletterte auf den Wagen, aber seine Frau blieb verschwunden. Er rief das ganze Haus zusammen, aber niemand hatte dafür eine Erklärung.

Hedwig und Max Muchow auf der Heufuhre

Hedwig war noch jung und hatte sich behände auf den Ast geschwungen und war in den Baumstamm geklettert, wo sie nach ängstlichen Versuchen auch glücklich wieder auf dem Erdboden ankam. Sie kam mit 20 Minuten Verspätung zu Hause an und es gab keinen glücklicheren Mann als Max, der seine Frau sofort in die Arme nahm und sich die ganze Geschichte erzählen ließ. Dann halfen alle mit, das Heu vom Wagen in die Scheune zu bringen und dort erneut kunstvoll zu stapeln. Es duftete der ganze Heuboden nach Sommer, Sonne und dem frischen Heu. Die Kühe und Pferde konnten so gut im Winter versorgt werden. Es gab ja noch andere Futtermittel im Winter, aber Heu war doch das Beste und dann noch von den eignen Wiesen. Es hingen ja auch so viele Handgriffe an dem wunderbaren Heu, was eine enge Bindung an die Dorfwiesen bedeutete.

 
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.06.2018


 

Totgesagte leben länger

Max Ebel 1931

Max Ebel hieß eigentlich Max Fieke, aber seine Braut, Betty Muchow, Tochter des Gastwirtes Ferdinand Muchow in Landin, bestand auf einer Namensänderung. „Wenn Du Deinen Namen nicht änderst, heirate ich Dich nicht.“ Was sollte der arme verliebt Max Fieke nun machen? Er ging zum Standesamt und da wurde ihm bedeutet. Das ginge, er könne gegen eine Gebühr von 150,00 Mark seinen Namen ändern lassen. So kam er als Max Ebel wieder zu seiner Betty und nun stand der Hochzeit nichts mehr im Wege. Er war Prokurist bei der großen Rathenower Optischen Firma „Nitsche und Günther.“ Er arbeitete in Rathenow, wo er ein großes Haus in der Wilhelm-von-Leibniz-Straße im vornehmen Stadtteil Nord bewohnte. Max Ebel war recht vermögend. Seine Eltern hatten die „Bäckerei Fieke“ in der Großen Baustraße in Rathenow, die sehr gut lief. Er borgte seinem Neffen, dem Bäckermeister Paul Schwarzlose, Geld und half ihm so aus einer großen Verlegenheit. Er machte mit seiner Frau eine Schiffsreise nach Norwegen, von der er gern erzählte. Norwegen mit seinen Fjorden und die Menschen dort hatten ihn fasziniert. Er wäre gern für immer dortgeblieben, aber Betty war bodenständig und wollte in ihrer Heimat bleiben. Es sind ja auch andere Entfernungen in Norwegen und die Menschen leben auf dem Lande weit verstreut. Von Rathenow nach Landin zu ihren Eltern und Geschwistern war es da nur ein Katzensprung. Max Ebel fuhr die Strecke oft mit dem Fahrrad.

In den Fjorden von Norwegen

Als 1945 die Russen die Stadt Rathenow eroberten, musste Max Ebel mit seiner Frau Betty das Haus räumen und man kehrte nach Landin zurück, denn das war ja das Elternhaus von Betty und Platz war auch genug da. So lebten nach dem Krieg (1939-1945) drei Familien unter einem Dach. Max und Hedwig Muchow, Max und Betty Ebel und Hertha Brunow mit ihren Eltern, die aus der zerstörten Wohnung in Berlin in Landin Zuflucht gefunden hatten. Es gab auch drei Haushalte, und es wurde alles fein säuberlich auseinandergehalten. Die Ehepaare Muchow und Ebel blieben kinderlos und vererbten alles ihrer Nichte Hertha Brunow.

Betty und Max Ebel in Landin

Max Ebel bekam in Alter von 75 Jahren Prostatakrebs und wurde von berühmten Chefarzt Dr. Richard Hinze im Paracelsus-Krankenhaus Rathenow operiert. Der Chefarzt Hinze und sein Oberarzt Dr. Wilhelm Grundmann waren begnadete Operateure, die mit Geschicklichkeit und Leidenschaft operierten. Eine Woche nach der Operation bestellte er die Ehefrau Betty Ebel zu sich und teilte ihr mit, dass der Krebs der Vorsteherdrüse auf das gesamte Becken übergegriffen habe. Er könnte nicht sagen, ob er alle Tochtergeschwülste im Becken entfernt hätte. Er meinte zu Betty, dass ihr Mann höchstens noch drei Monate zu leben habe. Sie möchte in dieser Zeit alles regeln, was zu regeln ist. Betty weinte zwei Tage lang, dann raffte sie sich auf und fuhr zu ihrem Mann ins Krankenhaus und sagte zu ihm: „Max, der Chefarzt hat gesagt, dass er nicht weiß, ob er alle Krebszellen entfernen konnte, wir müssen jetzt alles regeln, was zu regeln ist.“ Max wurde nach dem Gespräch sehr traurig und meinte: “Wenn es so ist, kann man nichts machen, außer beten.“ Und so wurde alles besprochen, was besprochen werden musste. Max machte ein Testament, indem er alles seiner Frau Betty vererbte. Nach drei Wochen war die Wunde gut verheilt, der Katheter war entfernt worden, und er konnte wieder gut Wasser lassen. Die Ärzte wünschten ihm alles Gute und entließen ihn nach Hause. Er suchte zusammen mit seiner Frau Betty eine Grabstelle auf dem Landiner Friedhof aus. Max bestimmte einen roten Rhododendron aus dem Garten. Der sollte auf sein Grab gepflanzt werden. Er suchte die Lieder zur Trauerfeier aus: “Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt“ von Paul Gerhardt und „So nimm den meine Hände.“ Als Predigttext für die Trauerfeier wollte er das Bibelwort „Die auf den Herren vertrauen, kriegen neue Kraft“ (Jesaja 40,31) haben. Und so erlebte er mit seiner Frau eine tiefe innige Zeit, denn er wusste, es wird nicht mehr lange gehen. Er nahm aber den Nachuntersuchungstermin gewissenhaft wahr und der Doktor in der Poliklinik in Rathenow fragte ihn, ob er damit einverstanden wäre, eine Hormonbehandlung mit weiblichen Hormonen zu probieren. Das wäre jetzt das Neuste. Natürlich war er damit einverstanden. Was sollte ihm noch passieren? Merkwürdigerweise hatte er guten Appetit und seine Frau kochte ihm alles, was er sich wünschte. Natürlich auch sein Lieblingsgericht: süßsaure Eier in Specksoße mit Kartoffelbrei und Sauerkraut. Sie buk ihm Kartoffelpuffer, die er auch sehr mochte. Er ging auch jeden Tag durchs Dorf und seine Spaziergänge waren erst nur ein paar Schritte, aber sie dehnten sich aus und wurden länger. Da er um sein Schicksal wusste, waren die drei Monate, von denen der Chefarzt gesprochen hatte, eine magische Grenze, vor der er doch etwas Angst hatte. Manchmal dachte er, er würde verrückt, aber dann sagte ihm sein kühler Verstand: Es ist alles normales Leben und der Tod gehört eben auch dazu. Betty weinte viel, aber er tröstete sie und meinte: Wir sind jetzt in dem Alter, wo man sterben kann und das ist ja nichts Besonderes, es ist der Lauf der Welt. Dann weinte Betty noch mehr und flüchtete sich wieder in ihre Arbeit. Max und Betty warteten nun alle Tage, dass aus einer Ecke der Tod hervorkommen würde, aber Max fühlte sich nach den Hormonspritzen immer besser. Das Vierteljahr kam und es passierte nichts. „Na, ja,“ meinte Betty, „die Ärzte können sich ja auch mal irren und so genau kann man das bestimmt nicht voraussehen.“

Grabstein von Betty und Max Ebel

Aus dem Vierteljahr wurde ein halbes Jahr und dann ein ganzes Jahr. Langsam beruhigten sich ihre Gemüter und der Alltag hielt wieder Einzug in der Familie. Die Jahre gingen dahin. Keiner dachte mehr an die Prophezeiung des Chefarztes. Im Februar 1966 erkältete sich Betty und bekam eine Lungenentzündung, von der sie sich nicht mehr erholte. Sie starb am 09.05.1966, beweint und betrauert von ihrem Mann und der ganzen Familie. „Totgesagte leben länger,“ sagt der Volksmund. Max Ebel hatte nach seiner todbringenden Erkrankung noch über elf Jahre gelebt und sogar seine Frau überlebt. Sie wurden beide auf dem Dorffriedhof in Landin bestattet. Auf dem Grabstein stand:

In Gottes Namen
Max Ebel
*9.7.1885 - † 30.1.1971
Betty Ebel
geb. Muchow
*16.08.1887 - † 9.5.1966

 
© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.05.2018


 

Die Einsegnung

Einsegnung von Helga Schultze
Palmsonntag 13.04.1930

Der Pfarrer führte regelmäßig den Konfirmationsunterricht im Pfarrhaus in Kriele für die Konfirmanden auch aus Landin durch. Jede Woche einmal versammelten sich die Kinder in Kriele und hörten, was der Pastor so an Wissen über die Bibel und das Christentum vermittelte. Sie lernten die 10 Gebote und einige Psalmen und lasen die Hauptkapitel der Bibel gemeinsam und lernten Kirchenlieder auswendig. Die schönste Geschichte der Bibel war für Helga Schultze die von Joseph und seinen Brüdern aus dem Alten Testament. Joseph und sein jüngere Bruder Benjamin waren die Söhne der Lieblingsfrau Rahel, die vom Vater Jakob nach dem Tode der Mutter schamlos vorgezogen wurden. Während die 10 Söhne seiner ersten Frau Lea die Schafe hüten mussten und harte Arbeit auf den Feldern verrichteten, wurde Joseph von einem Lehrer unterrichtet, lernte Fremdsprachen, Lesen und Schreiben. Er wurde auch zur Aufsicht für seine zehn Brüder vom Vater eingesetzt. Dazu träumte er noch so sonderbare Dinge, dass sich seine Brüder vor ihm verneigten. Als er einmal wieder zur Beaufsichtigung der Brüder bei den Weiden für die Schafe erschien, verkauften sie ihn einfach als Sklave nach Ägypten. Ihrem Vater zeigten sie in Schafsblut getränkte Kleidungsstücke von Joseph, die sie angeblich gefunden hätten und meinten zum Vater, dass Joseph sicher von wilden Tieren zerrissen worden sei. Joseph gelangte zu einem hohen Beamten des Pharao und wurde dort als Verwalter tätig. Als die Frau des Beamten ihn fälschlicherweise eines sexuellen Übergriffs beschuldigte, kam Joseph ins Gefängnis, wo er bald wieder die Verwaltung übernahm und dem Mundschenk und dem Bäcker des Pharaos ihre Träume richtig deutete. Als nun der Pharao selbst träumte, dass sieben fette Kühe aus dem Nil stiegen und von sieben mageren Kühen gefressen wurden, wachte er schweißgebadet auf und träumt erneut, dass sieben fette Korngarben von sieben mageren verschlungen wurden. Keiner der Traumdeuter am Hofe des Pharaos konnte damit etwas anfangen. Da erinnert sich der Mundschenk an den Joseph, der schleunigst aus dem Gefängnis geholt wurde und dem Pharao erklärte, dass sieben reiche Erntejahre kommen werden und danach sieben Dürrejahre mit großer Hungersnot. Der Pharao ernannte sofort Joseph zum Minister, der große Scheunen bauen ließ und in den ersten sieben Jahren riesige Kornvorräte im ganzen Land anlegte. Als dann die Hungersnot kam, traf sie auch Jakob und die restlichen 11 Geschwister in Israel und sie kamen nach Ägypten, um Korn zu kaufen. Der Minister Joseph erkannte sie sofort und holte nun seine ganze Familie nach Ägypten. Seinen Brüdern sagte er: “Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Er wurde durch Gottes Plan zum Erretter seiner ganzen Sippe bei der Hungersnot. Die Konfirmation fand in der Landiner Kirche statt.

Dorfkirche Landin 21.04.1930

Eine Woche vor der Einsegnung war im Gottesdienst die Prüfung der Konfirmanden in der Kirche. Davor hatten alle Angst, denn die ganze Gemeinde war dabei und konnte auch Fragen stellen. Der Pfarrer hatte zu den Konfirmanden beruhigt und gesagt: „Wer die Antwort weiß, hebt den rechten Arm und wer die Antwort nicht weiß, der hebt den linken Arm.“ So kam es, dass sich immer alle Konfirmanden meldeten, wenn der Pfarrer eine Frage stellte und die Eltern und Großeltern und alle Verwandten waren sehr stolz auf ihre Kinder. Der Pfarrer hatte allen geboten über diese Meldepraxis Stillschweigen zu wahren. Der Superintendent war auch zur Prüfung in der Kirche und der gesamte Gemeindekirchenrat. Der Pfarrer wurde für seine pädagogische Arbeit mit den Konfirmanden sehr gelobt. Die Obrigkeit war erstaunt über so viel Wissen in Landin. Der Eingang zur Kirche wurde zur Konfirmation mit einer Fichtengirlande geschmückt. Helga Schultze trug ein schwarzes Kleid, schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe. Als Schmuck hatte sie eine silberne Brosche am Kleid und eine silberne Gürtelschnalle. Ihr Konfirmationsspruch lautete: “Herr Deine Güte reicht soweit der Himmel ist und Deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen“ (Psalm 36, 4). Bei der Einsegnung bekamen die Konfirmanden das erste Mal Brot und Wein beim Abendmahl und waren damit offiziell in die Gemeinschaft der Erwachsenen in der Kirchengemeinde aufgenommen. Der Pfarrer hoffte natürlich, dass die Konfirmanden jeden Sonntag zum Gottesdienst in die Kirche kommen würden. Alle Verwandten kamen zur Konfirmation nach Landin und es wurde extra ein Schwein vom Fleischer aus Kriele geschlachtet. Zur Konfirmation waren ungefähr 20 Verwandte versammelt. Die Mutter hatte zum Mittag eine Hühnersuppe gekocht und es gab Schweinebraten, Rotkohl und Kartoffeln und als Nachspeise selbst eingeweckte Pflaumen und ein Glas Johannisbeerwein. Die Einsegnung war ein großes Fest für die ganze Familie und der Pfarrer kam auch zu jeder Konfirmationsfeier und hielt sich mit seiner Frau etwas in der Gesellschaft auf, ehe er dann weiter zum nächsten Konfirmanden ging. Es war Kuchen gebacken worden im alten Backofen hinter dem Haus und es gab eine schöne Kaffeetafel. Zum Abendessen hatte die Mutter und Tante Elisabeth Frikassee und Kartoffelsalat vorbereitet. Dazu gab es Bockwurst und belegte Brote mit der eigenen Schlackwurst. Die Bockwurst war dem Fleischer etwas zu salzig geraten, sodass reichlich Bier und Wein getrunken wurde. Als Geschenke gab es signiertes Schreibpapier, was schon sehr wertvoll war. Andere Geschenke bestanden aus Seidengarnituren und Kleiderstoff. Der Kleiderstoff war so reichlich bemessen, dass viele Kleider davon genäht werden konnten.

Ein vorfristiges Geschenk von Tante Carmen aus Friesack hatte es ihr besonders angetan. Tante Carmen war immer für eine Überraschung gut. Sie schenkte ihr schon vor dem Termin der eigentlichen Konfirmation eine Karte für den großen Friesacker Karneval im Gesellschaftshaus Krauspe, worüber sich die Konfirmandin am meisten gefreut hatte und bei der Konfirmationsfeier viel davon erzählte. Für Helga Schultze war es ein schöner Tag und sie erinnert sich gern daran. Oft sang sie später ihren Kindern das Faschingslied vom Friesacker Karneval vor: “Schon knospet der Flieder - froh klingen die Lieder. In Krauspes Haus ladet wieder der Fliederstrauß“.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.04.2018


 

Die Bodenreform in Landin

Am 29.12.1945 erhielt Max Muchow durch die Bodenreform Ackerland und Wald in Landin. Die Kommunisten hatten nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) in der russischen Besatzungszone den märkischen Adel von seinen Schlössern vertrieben und sein Land enteignet. Auf Grund der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Brandenburg vom 06.09.1945 hatte der Vorsitzende der Gemeindekommission für Bodenreform in Landin Rudolf Gnad eine Urkunde an Max Muchow übergeben, die vom Vorsitzenden der Kreiskommission für das Westhavelland, dem Landrat Gehrmann, unterzeichnet war. Danach bekam Max Muchow 1,10 ha Ackerland und 3,00 ha Wald gegen eine Anzahlung von 10 %. Den Rest des Betrages von 815,00 Reichsmark sollte Max Muchow in den nächsten 10-20 Jahren entrichten. Max Muchow hat den gesamten Betrag sofort bezahlt und er erhielt am 29.12.1945 die entsprechende Urkunde, die vom Landrat Gehrmann und vom Präsidenten Steinhoff unterzeichnet waren. Das Grundstück und der Wald wurden damit rechtskräftig und schuldenfrei an den neuen Besitzer übergeben. Auf der Urkunde steht: „Der Grundbesitz soll sich in unserer deutschen Heimat auf feste, gesunde und produktive Bauernwirtschaften stützen, die Privateigentum ihres Besitzers sind.“ So erhielten viele arme Landarbeiter und viele Flüchtlinge aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern eigenes Land und konnten als Neubauern nach dem furchtbaren Krieg versuchen, ein friedliches Leben und eine neue Existenz aufzubauen. Beim Kartoffelracken half die ganze Familie und saß vor den Kartoffelreihen mit einer Hacke und holte die wertvollen Knollen aus dem Erdreich.

Kartoffelracker in Landin

Bei den Großbauern waren auch viele fremde Helfer beim Kartoffelracken zugange. Zehn bis zwanzig Männer und Frauen schoben sich kniend mit einem Korb rechts und links vorwärts und arbeiteten sich so langsam über das Feld mit seinen Kartoffelreihen. Die Kinder halfen selbstverständlich mit, denn nach dem Krieg gab es noch keine Kindergärten. Die Versorgung der vielen Menschen mit Lebensmitteln stand nach dem Krieg an erster Stelle und so unterstützten alle Regierungen die Bauern. Aber schon 1952, nachdem die größte Not überwunden war, beschlossen die Kommunisten diese Bauern durch die Hintertür wieder zu enteignen und ihre kleinen Bauernwirtschaften in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) zu überführen.

Ab 1960 wurde auf die Bauern massiv Druck ausgeübt, damit sie diesen Genossenschaften beitraten. Viele Menschen flohen damals in den westlichen Teil von Deutschland, sodass am 13.08.1961 in Berlin eine Mauer errichtet und die Grenzsperren zum Westen massiv ausgebaut wurden. Damit konnte niemand mehr den Osten des Landes verlassen. Max Muchow war ein kleiner Landwirt und bewirtschaftete seine Felder und Wiesen mit seiner Frau und den übrigen Angehörigen der Familie, was nicht immer einfach war.

Erntehelfer in Landin mit ihren Kindern auf der Karre

Ein Roggenfeld

Er folgte dem Ruf der Kommunisten bald und trat in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft „Freie Scholle“ in Landin ein. Max Muchow war Gastwirt und Landwirt, wie viele Menschen vor ihm und wie es auf den Dörfern seit Jahrhunderten üblich war. Er kümmerte sich aber wenig um die Gastwirtschaft. Er liebte die Pferde, das Land und arbeitete gern als Landwirt. Die Gastwirtschaft betrieben die Frauen in seiner Familie.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.03.2018


 

Die freiwillige Feuerwehr von Landin

Versammlung der Freiwilligen Feuerwehr am 15.09.1959 im Gastzimmer der Gaststätte Muchow

Die freiwillige Feuerwehr in Landin war eine wichtige Einrichtung, denn Brände gab es immer mal und da war es gut, wenn es auch Menschen gab, die dem Brand Einhalt geboten. 1959 waren nur Männer in der Feuerwehr. Frauen waren selbstverständlich auch zugelassen, aber es war eine Ausnahme und etwas ganz Extraordinäres, wenn eine Frau in der Freiwilligen Feuerwehr war. So traf sich alle Monate eine reine Männergesellschaft in der Gasstätte Muchow in Landin und besprach, was so zu bereden war. Es kamen neue Hinweise des Kreisbrandmeisters aus Rathenow. Es wurden die Termine für Übungen vereinbart und die letzten Brandkatastrophen im Kreis Rathenow ausgewertet. Dazu gab es reichlich Bier und manchmal auch einen kleinen Schnaps und nach dem offiziellen Teil wurde Skat gespielt. Es waren fast alle Männer in der Landiner Freiwilligen Feuerwehr.

Ein Höhepunkt im Jahr war der Feuerwehrball, bei dem natürlich auch die Familien dazukamen. Die Feuerwehrleute konnten auch Freunde und Verwandte einladen und so war meist das ganze Dorf versammelt. Es wurde der neuste Dorfklatsch besprochen und es war ein Informationsaustausch, wie er sonst kaum möglich war. Für die Kinder begann der Feuerwehrball schon am Nachmittag mit dem Kindertanz. Wenn die Kinder dann ins Bett gebracht waren, ging der Tanz für die Feuerwehrleute und ihre Frauen und Freundinnen weiter. Manche Kinder durften auch bis um zehn Uhr abends dabei sein und wurden von allen beneidet, die früher nach Hause mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) war der Feuerwehrball das einzige gesellschaftliche Ereignis des Jahres im Dorf. Erst viel später kamen die Feiern zum 1. Mai wieder. Die Feuerwehr war notwendig und verfolgte keine politischen Ziele. Das war für die kommunistische Regierung wichtig und sie konnte beruhigt und frei von Kontroll- und Aufsichtszwängen solche Tanzveranstaltungen zulassen.
Im Anfang wurde bei Bränden die Glocke in der Landiner Dorfkirche geläutet, aber als man sich von den Kriegsfolgen etwas erholt hatte, wurde eine Sirene angebracht, die dann die Feuerwehrleute alarmierte, wenn es brannte. Jeder ließ seine gerade begonnene Arbeit stehen und liegen und rannte zum Spritzenhaus, wo dann so schnell wie möglich das Feuerwehrauto zum Brandort fuhr und das Feuer löschte. Es gab manchmal auch Brandstifter, die immer zuerst an Ort und Stelle waren und dann fleißig mitlöschten. Wenn so ein Brandstifter unterwegs war und Strohmieten in Brand setzte, war das schlimm für die Menschen und sie waren froh, wenn er überführt werden konnte und der „Rote Hahn“ nicht mehr in den Dörfern wütete. Es war für die jungen Männer eine schöne Zeit und bei den Feuerwehrbällen hat mancher seine Liebste fürs Leben gefunden.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.02.2018


 

Die Hexe von Landin

Eine boshafte alte Witwe lebte in Landin und redete über alle Bewohner nur Schlechtes. Sie wusste auch viel von ihren Nachbarn und war daher als Klatschbase verschrien. Viele bezeichneten sie auch als alte Hexe. Den Landinern fiel auf, dass sich abends eine scheinbar herrenlose Katze auf den Fensterbänken der Häuser niederließ und in die Zimmer schaute. Der Dorfschulze in Landin hatte schon lange den Verdacht, dass sich die Klatschbase nachts in eine Katze verwandelte und so die Bewohner belauschte. Als er die Katze wieder einmal auf einem Fensterbrett sitzen sah, nahm er einen langen Knüppel und schlug ihr kräftig auf den Rücken. Am nächsten Tag ließ sich die Witwe gar nicht auf der Straße oder vor dem Haus sehen. Als der Dorfschulze nach ihr sah, lag sie im Bett und meinte sie könne nicht aufstehen, sie habe einen Hexenschuss. Nun wussten die Bewohner, dass die Katze, die alte Hexe war. Sie fürchteten sich nicht mehr vor der alten Witwe, denn wenn sie die Katze wieder vor einem Fenster erblickten, vertrieben sie sie sofort.

© Dr. Heinz-Walter Knackmuß 01.01.2018


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